Tarifvertrag trotz Streik ohne Folgen

Gastbeitrag von Maria Glänzel

2021 war ein spektakuläres Jahr für viele Beschäftigten in den städtischen Berliner Krankenhäusern von Vivantes und Charité.
Verdi hatte mit den Beschäftigten im Frühjahr die Kampagne »100 Tage« gestartet.
100 Tage vor der Berliner Landtagswahl riefen die Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen und Entlastung auf. Sie forderten die Geschäftsführungen und die Landespolitik dazu auf, mittels Tarifvertrag ein Zeichen von Wertschätzung den Beschäftigten gegenüber zu setzen und sie nicht weiter im Stich zu lassen.
Die Tage vergingen, die Reaktionen blieben größtenteils aus.
Es gab warme Worte von Politikern und ein mitleidiges Lächeln von den Arbeitgebern.
Als die Abgeordneten aus der Sommerpause zurückkehrten, wurden sie mit einem Warnstreik begrüßt – die Zeit war um.
Der Sommer verging und der Streik dauerte fünf bis sieben Wochen. In der Zeit wurden die Streikenden diffamiert und unter Druck gesetzt. Der Öffentlichkeit wurde erzählt, dass der Streik unverantwortlich sei und zu Lasten der Patienten ginge.
Dabei gefährdete eben diese Strategie des Aussitzens die Gesundheit der Patienten, zusätzlich zu der durch Unterbesetzung ohnehin schon, seit Jahren billigend in Kauf genommenen, gefährlichen Pflege.
Nach einem harten Kampf erhielten die Beschäftigten endlich die Zusage für den Tarifvertrag mit voller Wirkung für Januar 2022.
Auf die Frage, was sich seit Oktober für die Beschäftigten verändert hat, gibt es eine einfache Antwort. Nicht viel. Auf den meisten Stationen ging die Belastung nicht zurück. Im Gegenteil verschärfte eine einrichtungsbezogene Impfpflicht und coronabedingte Krankheitsausfälle unter dem Personal die Situation weiter.
Die Einsetzung des Tarifvertrages wurde ohne Zustimmung der Tarifkommission auf den April verlegt. Die Beschäftigten schreiben zwar teilweise ihre Belastungen auf, es scheint jedoch aussichtslos, dass sie die Belastungspunkte ab April rückwirkend erhalten. Es weiß auch keiner sicher, ob der Tarifvertrag ab April Anwendung findet.
Aktuell passiert gewerkschaftlich viel bei Vivantes und Charité. Es gibt wieder Mitgliederversammlunge, bei denen das weitere Vorgehen bezüglich der Verhandlungen mit der Geschäftsleitung geplant wird.
Die Landespolitik hat sich seit den Wahlen diesem Thema nicht mehr öffentlich gewidmet. Es ist nicht zu erwarten, dass die Beschäftigten auf Unterstützung hoffen können.
Im Bezirksverband Neukölln scheint die Linke die einzige politische Kraft zu sein, die den Beschäftigten weiterhin zur Seite steht und sich überlegt, wie sie auf die Landespolitik Druck ausüben kann. Das Thema muss unverzüglich wieder auf den Plan kommen und dem Vertragsbruch Einhalt geboten werden.
Am 8. März ist internationaler Weltfrauentag. Wer ein Herz für die vielen weiblichen Angestellten im Gesundheitssystem hat, geht an diesem Tag auf die Straße und gibt dem Slogan »Kämpfe vereinen, Überlastung beenden!« seine Stimme.
Es muss weiter gehen!